Das älteste Großplanetarium der Welt steht in Jena und zieht jährlich 120 000 Menschen an. Jahrelange Umwelteinflüsse nagten an der Planetariumskuppel, sie wurde kürzlich saniert. Die fragile Konstruktion der Betonkuppel war eine große Herausforderung. Zum Einsatz kam ein Flüssigkunststoffsystem.
Die Idee, einen begehbaren Himmelsglobus zur anschaulichen Darstellung der Planetenbahnen zu errichten, stammt aus dem Jahr 1912 und war Ursprung für das 1926 errichtete Zeiss-Planetarium in Jena nach den Entwürfen der Architekten Schreiter & Schlag. Bereits zuvor bestaunten mehr als 80 000 Besucher erste öffentliche Versuchsvorführungen in einer provisorischen Kuppel auf dem Dach der bekannten Zeiss-Werke, die als das „Wunder von Jena“ bezeichnet wurden. Die Vorführungen eines künstlichen Sternenhimmels waren zur damaligen Zeit ein spektakuläres Erlebnis. Inzwischen handelt es sich beim Jenaer Planetarium um das dienstälteste Großplanetarium der Welt, das jährlich über 120 000 Besucher anzieht.
Dünne Betonschale birgt große
Herausforderungen bei der Sanierung
Aufgrund starker Beschädigungen durch jahrelange Umwelteinflüsse wurde in den Jahren 2011 und 2012 eine umfangreiche denkmalgerechte Sanierung der Planetariumskuppel geplant und durchgeführt. Der Denkmalwert des Zeiss-Planetariums steht in engem Zusammenhang mit der zur Entstehungszeit bahnbrechenden Erfindung des sogenannten Zeiss-Dywidag-Systems. So wird ein fragiles, aber statisch stabiles Netzwerk aus Eisenstäben bezeichnet, das von einer dünnen, selbsttragenden Betonschale umhüllt wird. Diese erzielt bei geringem Materialaufwand vergleichsweise große Spannweiten. Die Geometrie der Planetariumskuppel stellt dabei eine absolute Besonderheit dar: Die 18 m hohe Kuppel hat einen Durchmesser von 25 m, während die Betonschale nur 6 cm stark ist. Die architektonische Gestaltung der Planetariumskuppel zitiert dabei den Kuppelbau des Pantheons in Rom. Diese fragile Konstruktion war eine besondere Herausforderung für die Sanierungsarbeiten.
Sanierung der Kuppel bei laufendem Betrieb
Die Erhaltung und der Schutz dieser seltenen Kuppelkonstruktion war ein zentrales Ziel der denkmalgerechten Sanierung. Um Beschädigungen und Rissbildung der feinen Tragkonstruktion zu vermeiden, mussten sämtliche Arbeiten erschütterungsfrei durchgeführt werden. Eine mechanische Befestigung der neuen Dämm- und Abdichtungsschicht im Baukörper war wirtschaftlich nicht umsetzbar. Darüber hinaus standen die Erhaltung und Wiederherstellung wesentlicher Gestaltungsmerkmale aus den 1920er Jahren im Fokus der Sanierung.
Eine weitere Herausforderung war die Durchführung der Arbeiten bei laufendem Betrieb: Die Vorführungen und Veranstaltungen im Planetarium durften während der gesamten Bauphase nicht gestört werden. Dies erforderte ein hohes Maß an Koordinationsgeschick und Flexibilität bei den verarbeitenden Handwerksbetrieben.
Zunächst wurde der Aufbau der geschädigten Dachhaut bis zur Betontragschale rückgebaut, da sich die bauzeitliche Wärmedämmung und ausgleichende Mörtelschicht bereits teilweise zersetzt hatten. Der Aufbau bestand aus einer in Heißabstrich getränkten und aufgeklebten Korkdämmung. Darüber befanden sich als Primärabdichtung grün beschieferte Teerbahnen, die auf Holzringe genagelt waren. Diese Lage aus Holzringen war wiederum über Fangeisen befestigt, die mit der Armierung verbunden wurde. Die in den 1960er Jahren angebrachte Dachhaut bestand aus einer Aluminium-Blechdeckung, die lediglich an der Bestandsabdichtung befestigt wurde. Neben den verschiedenen Umwelteinflüssen war genau diese Konstruktionsart Ursache für die starken Beschädigungen. So kam es bereichsweise zum Versagen der Holzkonstruktion und zum partiellen Abrutschen der Primärabdichtung. Die Lagesicherheit der Gesamtkonstruktion war deshalb nicht mehr gewährleistet und ein Rückbau bis zur Betontragschale erforderlich. Giftige Stäube – insbesondere durch die paK-Belastung (PAK = polyzyklische aromatisch Kohlenwasserstoffe) der alten Teerbahnen – stellten eine starke Gesundheitsgefährdung dar, deshalb mussten alle Rückbaumaßnahmen nach entsprechenden Schutzvorschriften durchgeführt werden.
Beim Neuaufbau der insgesamt 1100 m2 großen Fläche kam eine Abdichtungsvariante zum Einsatz, die wohl weltweit einmalig ist: Als Dämmung wurde 60 mm starkes Schaumglas des Typs Foamglas T4 mit dem Systemkleber PC 56 vollflächig direkt auf die Betonschale aufgeklebt. Die Stöße wurden ebenfalls verklebt. Anschließend wurde das SikaRoof MTC 18 Flüssigkunststoffsystem (Hersteller Sika) als Dachabdichtung appliziert – unmittelbar auf die Foamglasdämmung. Der Vorteil dieses Flüssigkunststoffes ist, dass komplizierte Dachformen sowie schwierig auszuführende Anschlüsse einfach, schnell und nahtlos abgedichtet werden können. Diese innovative MTC-Technologie hat außerdem eine extrem kurze Ablüftungszeit, da die Materialhärtung durch Luftfeuchtigkeit in Gang gesetzt wird. Die Abdichtungsschicht ist daher unmittelbar nach dem Auftragen regenfest und wasserdicht, ohne dass dabei CO2 freigesetzt wird.
Farbwechsel von Alu wieder zum ursprünglichen Grün
Der Sikalastic-Flüssigkunststoff war aus mehreren Gründen ideal für die Sanierung des Zeiss-Planetariums: SikaRoof MTC 18 geht einen direkten Verbund mit der Dämmung ein, wobei sich das Material frei an die Kuppelform anpasst. Dies ist mit einer textilen Vlieseinlage nicht zu realisieren, ohne die komplett nahtlose Optik der Kuppelform zu beeinträchtigen – laut Planung war jedoch genau dies eine wichtige Vorgabe. Die hier verwendete Glasvlieseinlage ermöglicht eine uneingeschränkt glatte Oberfläche ohne sichtbare Vliesüberlappungen. Ein weiterer Vorteil im Vergleich zu anderen Flüssigkunststoffen ist die kurze Trocknungszeit.
Bei der Applikation auf diese Dämmung war kein Primer notwendig, deshalb konnte direkt die Grundbeschichtung Sikalastic-601 BC auf Polyurethanbasis aufgetragen werden. In diese noch nasse Beschichtung wurde anschließend das Glasvlies (Sika Reemat Premium) eingebettet. Um die Auflagen des Denkmalschutzes in Bezug auf Optik und Detailausführung der Planetariumskuppel umzusetzen, führten die Handwerker die Deckbeschichtung der Abdichtung und die mineralische Bestreuung als Sonderfarbton aus. Die ebenfalls einkomponentige Deckbeschichtung Sikalastic-621 TC wurde im Farbton „Verdi Green“ produziert und in einem Arbeitsgang direkt aufgetragen – inklusive aller Details, wie Durchdringungen sowie An- und Abschlüsse. Auch die abschließende Schiefersplitt-Einstreuung konnte in einer grünen Sonderfarbe beschafft werden, so dass die ursprüngliche grüne Teerbahn-Optik wieder vollständig hergestellt werden konnte. Die pneumatische Applikation dieser Beschieferung erlaubte ein gleichmäßiges Auftragen sowie wirtschaftliches Arbeiten. Die insgesamt drei Abdichtungsschichten wurden wegen der anspruchsvollen Baustellensituation in unterschiedlichen Farben manuell aufgetragen, um eine gleichmäßige Schichtdicke und Kontrolle über den Arbeitsfortschritt zu erreichen. Dies ist Grundlage einer langfristigen Funktionssicherheit. So konnte die historische Konstruktion mit neuen Materialien geschützt und die Optik des Originalzustandes von 1926 restauriert werden.
Optimales Zusammenspiel von
Vorbereitung und Verarbeitung
Die Handwerker des ausführenden Dachdeckerbetriebs „Dächer von Christoph Gruß GmbH“ waren mit diesen Flüssigkunststoffen bereits von anderen Objekten her vertraut und deshalb von Beginn an von der Materialverarbeitung überzeugt. Zur optimalen Vorbereitung konnten die Dachdecker vom Rundum-Service des Herstellers profitieren: Sika stellte Mustermaterial und ausreichend Musterflächen zur Verfügung. Der gesamte Aufbau wurde im Voraus unter anderem auf das Brandverhalten überprüft. Da ein solch besonderes Projekt mit dem außergewöhnlichen Aufbau eine spezielle Betreuung erfordert, wurde die Baustelle umfassend von qualifizierten Anwendungstechnikern von Sika überwacht. Diese objektspezifische Ausführungsberatung von Ingenieuren und Technikern bot eine zusätzliche Sicherheit.
Die Professionalität von Hersteller und Verarbeiter zahlte sich aus: Im November 2012 konnte die Eigentümerin und Bauherrin, die Jenaer Ernst-Abbe-Stiftung zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Innovation, die Wiedereröffnung des frisch sanierten Zeiss-Planetariums feiern.
Autor
Thomas Kison ist Produktingenieur (Flachdach) im Geschäftsbereich „Roofing“ der Sika Deutschland GmbH in Stuttgart.
Von Thomas Kison
Die selbsttragende Betonkuppel mit der dünnen Schale bedurfte einer besonderen Dachhaut-Behandlung
Die Ausführungsberatung durch Ingenieure und Techniker gab dem Dachdeckerunternehmen zusätzlich Sicherheit